Safenwiler Ziitig
Die Kiss Genossenschaft Wiggertal (Aargau) hat einen Stundenpool eingerichtet. Dank freiwilliger Unterstützung können hilfsbedürftige Menschen aller Generationen selbstbestimmt zu Hause leben und bleiben durch den Kontakt in der Gesellschaft integriert. Das System funktioniert geldfrei, indem Stunden aufgeschrieben werden.
23.11.2022
Freiwillig einander im Alltag helfen – ob beim Einkaufen, zum Coiffeur begleiten oder zusammen einen Kaffee trinken –, dies sind nur einige Beispiele von Dienstleistungen, die von der Kiss Genossenschaft Wiggertal (Aargau) vermittelt werden. Die Abkürzung Kiss steht für «Keep it small and simple», also klein und einfach. Hinter dem Namen steht eine grosse Idee. Die Genossenschaft will die vierte Altersvorsorgesäule in der Schweiz werden und ist auf dem besten Weg dazu. Auf der nationalen Website der Fondation sind aktuell 20 aktive Genossenschaften gelistet, eine weitere befindet sich in der Aufbauphase.
Die Kiss Genossenschaft Wiggertal (Aargau) hat sich im Jahr 2018 um Präsidentin Judith Schreyger aus Oftringen und Vizepräsident Ueli Gnehm aus Aarburg formiert. Nach intensiver Aufbauarbeit wurde in Oftringen am 23. Juni 2020 die Kiss Genossenschaft Wiggertal (Aargau) gegründet. Gehörten anfänglich fünf Personen zum Kernteam, besteht dieses mittlerweile aus zehn. «Unser Team bringt fast 360 Jahre Berufs- und Führungserfahrung aus verschiedenen Bereichen mit», sagt Edith Diriwächter aus Safenwil. Sie gehört seit Oktober 2021 zum zehnköpfigen ehrenamtlichen Kernteam und ist für das Sponsoring zuständig. «Einzig die Geschäftsleitung und die für die Koordination der Dienstleitungen zuständigen Fachpersonen erhalten ein Entgelt», erklärt Edith Diriwächter. Die Geschäftsstelle hat seit dem Jahr 2020 ihren Sitz im Pavillon gegenüber der Oftringer Gemeindeverwaltung. Jeweils mittwochs und nach Voranmeldung ist ein Gespräch vor Ort an der Zürichstrasse möglich.
Hilfe im Alltag
Hilfe im Alltag können alle Mitglieder beanspruchen. Besonders im Fokus von Kiss steht die wachsende Zahl von Seniorinnen und Senioren und das steigende Bedürfnis nach Betreuung und Begleitung. «Mit Kiss kann man sich ein Zeitguthaben ansparen, das bei Bedarf eingelöst werden kann», sagt Edith Diriwächter, die seit ihrem Einstieg 80 Stunden auf ihrem Konto gutgeschrieben hat. Sie unterstreicht, dass die freiwillig tätigen Mitglieder vielseitige Unterstützung bieten, indem sie Menschen in allen Lebenslagen und -altern begleiten mit alltäglichen Dienstleistungen
in Haus und Garten, für Fahrten, Zuhören und Gespräche, Spazieren und Bewegung. Die sich unterstützenden Menschen, sogenannte Tandems, werden durch Fachpersonen zusammengeführt und begleitet. «Freiwillige helfen einander. Dies stärkt den Zusammenhalt und macht Freude», sagt Edith Diriwächter.
Maximal sechs Stunden pro Woche
Kiss ist als gemeinnützige Genossenschaft organisiert, bei der jede und jeder für einen einmaligen Betrag von 100 Franken Mitglied werden kann. Mitglieder melden bei der Koordinationsstelle ihre Bedürfnisse oder ihre Angebote an. «Daraufhin werden Personen gesucht, die dazupassen, weil sie genau dieses Angebot benötigen oder bieten», erklärt Edith Diriwächter. Hat sich ein «Tandem» gebildet, werden die geleisteten Stunden auf dem persönlichen Kiss-Konto gutgeschrieben. Pro Woche dürfen maximal sechs Stunden geleistet werden. Insgesamt kann man
bis zu 720 Stunden anhäufen. «Die geleistete Zeit ist eine Gutschrift, die Mitglieder bei Bedarf einlösen können», sagt Diriwächter und betont: «Die geleistete Arbeit wird immer gleich bewertet, egal, was sie umfasst. In diesem Sinn: eine Stunde ist eine Stunde.» Wer sein Zeitguthaben nicht selbst verbrauchen möchte, kann es seiner Genossenschaft schenken. Diese wiederum kann es Menschen zugutekommen lassen, die es benötigen. Das Zeitguthaben kann nicht vererbt werden. «Die Kiss Genossenschaft ist eine geniale Idee, weil es beglückendes Geben und Nehmen ist», betont Edith Diriwächter.